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Die Geschichte des Ju-Jutsu

Jujutsu

(jap.) „Wissenschaft von der Nachgiebigkeit“

 

Nach einer anderen Leseweise „Jawara“ (japanische Kampmethode der Samurai), klassifiziert innerhalb des Bujutsu. Das Jujutsu wurde in einer Gemeinschaftsarbeit im 19. Jhd. reformiert und beinhaltet den bewaffneten und unbewaffneten Kampf.

 

Die Anfänge der (waffenlosen) Selbstverteidigung liegen im Dunkel der Geschichte. Einleuchtend ist, dass jede Kultur der Welt Techniken entwickelt hat, um einen Gegner im Nahkampf auch ohne Hilfsmittel zu besiegen. In Europa wurde dieses Wissen nach der Einführung und Verbreitung moderner Waffen und den damit verbundenen Änderungen der Kriegsführung immer unbedeutender und geriet daher weitestgehend in Vergessenheit. Ein weiterer Grund hierfür dürfte die geringere philosophische Durchdringung der europäischen Kampftechniken sein. Außerdem verlor der Kriegerstand in Europa schneller an Bedeutung gegenüber Bürgern und Kaufleuten als z.B. in Japan. So hielt die klassische Kampfkunst sich nur noch in Nischen, zugleich wurden die Techniken entschärft und in ein festes Regelwerk gepresst. Das, was dann davon übrig blieb, kennen wir heute als Boxen und Ringen.

 

Anders in Asien –

 

Die gänzlich abweichende Geschichte und Kultur dieser Region und insbesondere die Selbstisolation Japans bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts erhielt die Bedeutung der alten Kampftechniken. Die starke kulturelle, religiöse und philosophische Ausstrahlung Chinas auf seine Nachbarn ist wohl der Grund dafür, dass die meisten ostasiatischen Kampfkünste ihre mythischen Wurzeln bei buddhistischen (Wander-)Mönchen aus China und Indien sehen. Der Legende nach soll um 520 n.Chr. ein indischer Mönch namens Bodhidharma (chin.: Ta Mo, jap.: Daruma) im Kloster Shaolin-Songshan eine neue, meditative Art des Buddhismus eingeführt haben, den Zen-Buddhismus. Zur Ergänzung dieser passiven Übungen hat er dynamische Techniken gelehrt, die die Kondition der Mönche verbesserten und sie gegen die Gefahren der abgelegenen Gebirgsgegend wappnen sollten. Mit der Verbreitung des Zen-Buddhismus wuchs auch die Bekanntheit der Kampftechniken, obwohl Anfangs nur Eingeweihte in ihnen unterrichtet wurden.

Bereits im 12. Jahrhundert gab es eine von einem General namens Shinra Saburo entwickelte japanische Schule des „Handkampfes“. Diese Schule lag den Methoden des Sumo noch deutlich nahe.

 

Die Techniken waren vor allem im „Konjaku monogatari“ (einer buddhistischen Schrift aus dem 13. Jhd) beschrieben. Im Laufe der Jahrhunderte entwickelten sich verschiedene Bezeichnungen für Ju-Jutsu, die damals alle zum „Weg des Bogens und des Pferdes“ (Kyuba no Michi) gehörten.

Im ausgehenden 19. Jahrhundert bzw. Anfang des 20. Jahrhunderts ist es u. a. dem deutschen Professor Dr. Erich Baelz zu verdanken, dass der alten Kunst der waffenlosen Selbstverteidigung wieder mehr Beachtung geschenkt wurde. Prof. Baelz lehrte in der Zeit von 1876 bis 1902 an der Kaiserlich-Japanischen Universität in Tokio und hatte den Jiu-Jitsu Lehrer Totsuka, der zu dem Zeitpunkt bereits 70 Jahre alt war, bei Vorführungen gesehen. Er war von dem Gezeigten so angetan, dass er für eine Aufnahme des Jiu-Jitsu in das Lehrprogramm der Universität sorgte. Hier lernte auch Jigoro Kano das Jiu-Jitsu kennen. Sein großes Interesse an der Selbstverteidigung brachte ihn dazu, bei verschiedenen Schulen die unterschiedlichsten Systeme zu studieren. Aus diesen verschiedenen Stilrichtungen stellte Kano dann sein eigenes System zusammen, dass er Judo nannte. Um es im sportlichen Wettkampf ausüben zu können, übernahm er nur die Griffe, die für die Kämpfer relativ ungefährlich waren.

 

Anfang des letzten Jahrhunderts zeigten einige Japaner unter anderem in London und Berlin eine Kampfmethode, die aus der Gruppe des Gaijin Goshin-jutsu stammt und die man als Jiu-Jitsu bezeichnete. So trat u. a. Katsukuma Higashi im Zirkus Schuhmann in Berlin auf und nahm dort Herausforderungskämpfe von jedem Athleten an. Erich Rahn war von dem Gezeigten so begeistert, dass er sich im Jiu-Jitsu unterrichten ließ und mit 22 Jahren (1906) seine eigene Schule eröffnete. Dabei wurde die auf dem Gaijin Goshin-jutsu basierende Kampfart im Laufe der Zeit auch mit europäischen Ring- und Boxtechniken durchsetzt, so dass schließlich daraus das so genannte „europäische Jiu-Jitsu“ entstand, das bis heute noch in vielen Verbänden und Schulen als Selbstverteidigung gelehrt wird. Erich Rahn war es dann auch der den Jiu-Jitsu Unterricht bei der Polizei ein, zunächst in Berlin und später auch in anderen Städten Deutschlands.

1920 kamen Alfred Rhode und Otto Schmelzeisen mit dem Jiu-Jitsu in Berührung. Auch sie unterrichteten Polizeibeamten und suchten darüber hinaus Möglichkeiten, Jiu-Jitsu einem größeren Kreis zugänglich zu machen. So wurden 1922 die ersten drei Jiu-Jitsu Clubs in Deutschland gegründet:

  • In Frankfurt der „1. Deutsche Jiu-Jitsu-Club“ durch Alfred Rhode (†)
  • In Berlin der „1. Berliner Jiu-Jitsu-Club“ durch Erich Rahn (†)
  • In Wiesbaden der „Jiu-Jitsu-Club Wiesbaden“ durch Otto Schmelzeisen.

Die drei Clubs bestehen heute noch, tragen jedoch an Stelle Jiu-Jitsu Judo in ihrem Namen.

 

1932 fand die erste internationale Judo-Sommerschule im Frankfurter Waldstadion statt. Die Leitung hatte Alfred Rhode. Dabei wurde deutlich, dass das Jiu-Jitsu, wie in Deutschland ausgeführt, zwar eine wirkungsvolle Selbstverteidigung, Judo jedoch für die sportliche Ausübung viel geeigneter ist. Daher wurden bei vielen deutschen Vereinen Judo als Kampfsport eingeführt und die Regeln entsprechend den japanischen geändert.

 

Nach dem Krieg wurden Judo und Jiu-Jitsu in Deutschland durch die alliierten Besatzungsmächte verboten. Trotzdem ließen einige Vereine unter der Bezeichnung „Bodengymnastik“ oder „Geschicklichkeitssport“ und anderen Decknamen den Kampfsport wieder aufleben.

 

Im Herbst 1952 wurde das Deutsche Dan-Kollegium und ein Jahr später der Deutsche Judo Bund (DJB) gegründet. Damit war die Lösung vom bisherigen Verband, dem Deutschen Athletik-Bund vollzogen und die Selbstständigkeit des Judo erreicht. Und je mehr Judo an Bedeutung und Popularität gewann, umso mehr trat das Jiu-Jitsu als Selbstverteidigung in den Hintergrund.

 

Werner Heim und Fritz Nadler griffen diesen Umstand auf und versuchten, die Selbstverteidigung aus dem Prüfungsprogramm des Judo herauszunehmen und ein gesondertes Programm für Jiu-Jitsu zu erarbeiten.

 

Es dauerte dann noch einige Zeit, bis sich im Februar 1969 eine Kommission in Wiesbaden traf, um eine von Werner Heim & Franz-Josef Gresch konzipierte Fassung eines Ju-Jutsu-Programmes zu begutachten. Was dabei noch unklar war wurde praktisch erprobt und erläutert.

 

Anfang April 1969 wurde die Ausarbeitung nochmals einem größeren Gremium und einem Prüfungsausschuss Ju-Jutsu vorgelegt und für gut befunden. Diese Fassung wurde dann dem Deutschen Dantag zur Beschlussfassung überwiesen, der sie am 22. April 1969 in Kraft setzte. Damit war erstmals ein gültiges Ju-Jutsu-Ausbildungsprogramm geschaffen, nach dem die ersten Prüfungen und Graduierungen im Ju-Jutsu vorgenommen werden konnten. Die 1. Ju-Jutsu-Prüfung des Deutschen Dan Kollegiums (DDK) wurde für den 28./ 29.Juni 1969 ausgeschrieben.

Ein Novum im Budosport war die Zusammensetzung der zwei Prüfungskommissionen. Um ein Höchstmaß an Neutralität und Ausgewogenheit zu gewährleisten, gehörte jeder Kommission je ein Prüfer aus Judo, Karate, Aikido und Jiu-Jitsu an.

 

Zur Prüfung traten 30 Teilnehmer an. Zunächst wurde stichprobenartig das Programm für Kyu-Grade verlangt. Nach 4 Stunden stand das erste Ergebnis fest. Vierzehn der 30 Teilnehmer erreichten den 1. Kyu-Grad und waren damit berechtigt, an der weiteren Prüfung zum 1. Dan teilzunehmen. Den anderen Teilnehmern wurde der ihren Leistungen entsprechende Kyu-Grad verliehen.

Am nächsten Tag (29. Juni 1969) fanden die Dan-Prüfungen statt, wieder mit zwei Prüfungskommissionen. Nach 3 Stunden standen 5 Teilnehmer fest, die es bis zum 1. Dan geschafft haben.

Nach Abschluss der Prüfung wählten die 5 Ju-Jutsu-Danträger eine nach der DDK-Satzung vorgeschriebene Ju-Jutsu-Kommission mit (vorerst) zwei Personen:

 

Werner Heim

Vorsitzender und Sachbearbeiter Prüfungswesen

Franz-Josef Gresch

Sachbearbeiter Technik und Öffentlichkeitsarbeit.

 

Mit der Konstituierung der Kommission, die später nach der nötigen Anzahl der Mitglieder zur Bundesgruppe Ju-Jutsu wurde, war die Gründung einer eigenständigen Ju-Jutsu-Gruppe vollzogen. Als Gründungstag des Ju-Jutsu wird deshalb der 29. Juni 1969 angesehen.

Ju-Jutsu wurde von Mitgliedern des PSV Münster zuerst im Rahmen des Dienstsports bei der Polizei ausgeübt, wobei auch hier ab 1965 regelmäßige Weiterbildungen in Form von Lehrgängen (unter anderem bei Alfred Hasemeier) erfolgten.

 

Das Gelernte wurde im Rahmen von freiwilligen abendlichen Trainingseinheiten im Rahmen des Polizeidienstes vertieft, bis 1970 dann die Ju-Jutsu-Abteilung des PSV Münster in seiner heutigen Form als e.V. gegründet wurde. Somit hatten von dem Zeitpunkt an auch Privatpersonen die Möglichkeit, die Kunst der waffenlosen Selbstverteidigung beim Polizei-Sportverein, Abtlg. Ju-Jutsu, zu erlernen.

Die Gründungsmitglieder bzw. maßgeblich am Aufbau der Abteilung beteiligt waren: Dieter Walter, Gerhard (Gerd) Siekmann, Georg (Schorsch) Budke und Werner Bock (zum damaligen Zeitpunkt abgeordnet von Wuppertal nach Münster). Nach und nach wuchs die Abteilung, so dass Ende der 70er/ Anfang der 80er Jahre über 10 Danträger zu den Mitgliedern der Ju-Jutsu-Abteilung zählten. Die Geschäftsführung lag unter anderem in Händen von Heinrich Krümpelmann (†), Petra Beckmann und Hans-Erwin Ewald.

 

Im Rahmen der Jahreshauptversammlung im Jahr 2000 fand ein Wechsel im Vorsitz der Ju-Jutsu-Abteilung statt.

Der erste Vorsitzende der Abteilung (und gleichzeitig Gründungsmitglied) Gerd Siekmann stellte sein Amt nach 30-jähriger Tätigkeit zur Verfügung und legte die Verantwortung in die Hände seines Nachfolgers.

 

 

Deutscher Ju-Jutsu-Verband e.V.

Ju-Jutsu Journal, Ausgaben 01-12/2009

Lind, Werner – Das Lexikon der Kampfkünste, Berlin, Sportverlag 2001, Seite 270/271

Teipel, Jan – unveröffentlichtes Manuskript, 2003

Siekmann, Gerhard, mündlich, 2011

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